Ich gebe es zu:
Eigentlich hatte ich Mitte letzten Jahres dem Analogen nach einem Techtelmechtel mit der wunderschönen Yashica Lynx und einer Kiev 4M endgültig abgeschworen. Die Olympus Pen war die tragbare Alternative zur grossen DSLR und das µFT-System hatte (und hat) mich überzeugt.
Doch irgendwo hat mich die Sehnsucht nach einer Messucherkamera nicht losgelassen. Das fotografieren mit einem Sucher ist eben doch etwas anderes als mit einem Display und Live View, wie bei der Pen. Und so kam es, das ich als lichtstarkes Portraitobjektiv für die Pen ein extrem günstiges, etwas angeschlagenes aber funktionierendes Leica Summicron-M rigid 50mm 2,0 aus dem Jahre 1962 ersteigerte. Der Leica M auf µFT Adapter aus China braucht aber gute 3 Wochen und schwups war die Entschuldigung für den Kamerakauf gefunden. Ganz fix wurde durch den Tipp eines Mitforenten im DSLR-Forum eine günstige funktionierende Leica CL gefunden und mit dem Summicron vermählt.
Ein schönes Paar: Die Leica CL mit rigid Summicron-M 2,0 50mm
Leica CL? Was ist denn das?
In der Regel kennt man von Leica die Messucherkameras des M-Systems und vielleicht noch das leider eingestellte R-Spiegelreflexsystem. Die Leica CL ist sozusagen eine kleine M. Sie hat den gleichen Objektivanschluss wie das M-System und man kann auch sehr viele M-Objektive an der Leica CL verwenden. Ausgenommen sind Objektive mit Sucherbrille, einige Exoten mit sehr grosser Hinterlinse und Objektive die weiter als 16mm ins Gehäuse ragen, weil sich dort bei der Leica CL der Schwenkarm mit der Belichtungsmesszelle befindet.
Sie lesen richtig:
Die Leica CL hat, wie ihre grosse gleichalte Schwester M5 einen eingebauten Belichtungsmesser. Bis zur 1971 eingeführten M5 gab es das nämlich bei Leica nicht, bei der japanischen Konkurenz allerdings schon. Da mit dem Spiegelreflex Boom der ausgehenden 60ger und der beginnenden 70ger Jahre die Absätze der M Kameras nicht nur schwächelten, sondern massiv einbrachen suchte man bei Leica nach einer Lösung für dieses Problem. Hinzu kamen die günstigen japanischen Messucherkameras mit festem Objektiv, die den Markt bevölkerten. Die von Leica gewählte Lösung war eine kleine, günstige (gemessen an einer M) und leichte Messsucherkamera die fast alles bot, was die grosse M kann. Das wurde die Leica CL – die Bildzeitung würde heute sagen die Volksleica. Wie jede Leica bewegte sie sich zwar im Preissegment der Wohlbetuchten, war aber doch erheblich günstiger als eine Leica M. Aus Kostengründen wurde sie bei Minolta gefertigt (und von Minolta parallel als Minolta CL vertrieben). Verkauft wurde die Leica CL von 1973 bis 1976 in ca. 65.000 Stück und sie war für Leica kein Erfolg, wohl auch weil sie der M5 die Kunden wegnahm (diese brachte es nur auf 27.000 Stück von 1971-1975).
Leica CL aus dem Jahr 1974 – eine zeitlose Schönheit
Was bietet nun die Leica CL, …
… sie ist bis heute die kleinste und leichteste Leica mit Wechselobjektiven.
… sie bietet TTL Belichtungsmessung als Spotmessung (etwa Grösse des Mischbildfeldes im Messucher) mittels einer schwenkbaren CDS-Zelle direkt vor der Filmebene.
… sie hat einen grossen hellen Sucher mit Rahmen für 40, 50 und 90mm Brennweite. 35mm Brennweite entsprechen etwas dem komplettem Sucher und sind so auch ohne Aufstecksucher nutzbar.
… sie hat einen hellen sehr gut sichtbaren Mischbild Entfernungsmesser mit sauber definierten Kanten.
… sie hat einen vertikalen Tuchschlitzverschluss mit Verschlusszeiten mit von 1/2 bis 1/1000stel Sekunde, die im Sucher eingespiegelt werden und stufenlos verstellbar sind. Dieser Verschluss ist zwar nicht so leise wie der Verschluss eienr M-Leica, aber doch wesentlich leiser als der Mechanismus einer SLR.
… sie hat eine abnehmbare Rückwand zum halbwegs bequemen Filmeinlegen. Das Scharnier an der Seite haben die Leica Konstrukteure weiter der Konkurenz überlassen. Ich bin dafür insofern dankbar, das es deshalb bei der CL keine Probleme mit auseinanderfallenden teerigen Lichtdichtungen gibt, weil diese konstruktiv bedingt nicht vorhanden sind..
Doch nun zum Negativem:
Ein Schwachpunkt der CL ist eindeutig die Belichtungsmessung. Oft gibt die Verkabelung des Schwenkarmes auf dem die Messzelle sitzt im Laufe der Jahre nach. Auch die verbauten CDS Messzellen sind nach mehr als 30 Jahren oft schon weit jenseits ihrer Lebendauer.
Die verwendeten PX625 Quecksilberbatterien mit 1,35 Volt sind in Europa legal nicht mehr zu bekommen (Alkalizellen geben falsche Werte), eine Abhilfe können hier Weincell MRB 625 Hörgerätebatterien schaffen (selten und teuer) oder man beschafft sich für ca. 10 Euro in der Bucht einen Batterieadapter, dann passen die weit verbreiteten 675er Hörgerätebatterien (< 2,-/Stück). Hier sollte man darauf achten, das man Zink-Luft-Batterien erwischt, da nur diese spannungskonstant sind. Nachteil der Zink-Luft-Batterien ist, das deren kurze in Monaten bemessene Lebensdauer mit dem Entsiegeln beginnt. Es reicht übrigens, wenn man nur einen Teil der Belüftungöffnungen der Batterie entsiegelt (dann lebt diese länger), da die CDS Zelle wahrlich nicht viel Strom braucht.
Ach so: Und bitte die Batterie rechtzeitig beim Filmwechsel mit wechseln, ein Batteriewechsel bei eingelegtem Film ist nämlich nicht möglich, weil dazu die Rückwand abgenommen werden muss.
Immerhin lässt sich eine CL mit defekter Belichtungsmessung noch problemlos verwenden, da der ganze Rest vollmechanisch ist. Natürlich mit den üblichen Problemen mechanischer Kameras wie hängende Verschlussvorhänge oder auch Löcher im Verschluss, wenn die CL mit Objektiv auf unendlich mal zulange in der Sonne lag. Die frühen Kunstoff Filmspulen verlieren gerne mal ihre Zähne (später CLs habe eine Messingspule). Manchmal löst sich auch die Verspiegelung des Prismas im Messucher .
Wo wir beim Messucher sind: Aufgrund der Kleinheit der CL ist die Messucherbasis kleiner, darunter leidet auch die Genauigkeit des Messuchers, so das lichtstarke Objektive (Blendenzahl < 2,0 besonders Teleobjektive) im Nahbereich (<1,5 m) nicht mehr präzise scharfgestellt werden können. Andere Optiken, wie das Summicron 2/90mm decken teilweise das Sucherbild ab.
Mein Exemplar ist glücklicherweise bislang von all diesen Wehwehchen verschont geblieben und hat nur ein paar minimale Macken im Lack.
Zum fotografieren mit der CL:
Auch wenn sie bei Minolta gefertigt wurde, so ist die CL doch eine echte Leica. Alles wirkt gut und solide verarbeitet, wenn auch nicht ganz so aus dem Vollem gefräst, wie bei einer Leica M.
Der Messsucher ist sehr hell und auch für mich als Brillenträger gut zu übersehen (dagegen war der Sucher meiner Yashica Lynx ein Guckloch). Beim prallen Sonnenlicht von vorne ist der Sucher etwas streulichtempfindlich, man kann aber trotzdem noch alle gut erkennen. Die Entfernungseinstellung am Objektiv ist wesentlich angenehmer als die Rädchen-Einstellerei bei der Contax Kopie Kiev 4m, welche ich einmal besass.
Die Kamera liegt ergonomisch sehr gut in der Hand, mit den Fingern der linken Hand kann man gut am Pin des Objektives die Entfernung einstellen, während man mit dem rechten Zeigefinger am Rad vorne auf der Kamera die Belichtungszeit verstellt.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Nachführbelichtungsmessung allerdings doch, weil sie falschherum geht (Leica Logik?). Wenn die Nadel über der mittleren Markierung steht, heisst das Unterbelichtung, nicht Überbelichtung wie es naheliegend wäre.
Der Belichtungsmesser tut übrigens nur wenn …
… ein Objektiv angesetzt ist.
… der Film transportiert und der Verschluss gespannt ist (und das Messärmchen wieder hochgeklappt ist).
… und der Schnellspannhebel leicht aus der Ruhestellung bewegt wird (er ist der Ein- und Ausschalter).
Und bitte nicht vergessen: Man hat eine Spotmessung, gemessen wird bei 90mm etwa das Mischbildfeld, bei 40mm Brennweite etwa die doppelte Fläche des Mischbildfeldes. Hier entscheidet also der Fotograf, ob er richtig misst, nicht die Kamera per elektronischer Matrixmessung.
Anbei noch einige Links zur Leica CL:
– Leica CL bei Peter Lausch
– Leica CL die Volkskamera Essay (englisch)
– Bedienungsanleitung Leica CL (mit Freigabe von Leica)
– Tipps zum Checken einer CL (englisch)
PS: Auch Elmar ist wieder da, bzw. sein Bruder. Günstigst fand ich noch ein 90ger Elmar 4,0 M39 von 1952 mit leider ziemlich verputzter Frontlinse, welches nun mit Adapter seinen Dienst auch an der CL tut.
PPS: Bilder aus der Kamera folgen, wenn das Labor den ersten Film entwickelt und gescannt hat.
Nachtrag: Die kleine CL hat mich mittlerweile wieder verlassen. Aber nur weil die Messucherkrankheit noch heftiger zugeschlagen hat und sie neben der M8 nur noch ein Nischendasein fristetete. Im Vergleich zur M8 war sie allerdings klein und handlich und durchaus ergonomisch sehr gut (bis auf das Filmwechseln).
Nachtrag 2: Nachdem ich mittlerweile bei der M9 gelandet bin muß ich feststellen:
Die Leica Cl war keine Therapie für den Messsuchervirus, sondern eher eine Einstiegsdroge. Gäbe es sie in digitaler Form, so würde ich sie heute sofort kaufen, da ich das grosse Gehäuse einer „erwachsenen“ Leica M eigentlich nicht brauche.
Meine aktuelle LEICA CL heisst jetzt FUJI X10, mit der man vergleichsweise wesentlich mehr anstellen kann und die vergleichsweise auch noch weniger kostet. Wie heisst es bei den Journalisten, nichts ist so alt wie die Nachricht von gestern! Damit möchte ich aber nicht sagen, das die LEINOLTA nicht eine klasse Kamera ist!
Nur blöd, das man bei der wirklich guten X10 die Optik nicht wechseln kann und sie doch einen relativ kleinen Sensor hat.
Der relativ kleine Sensor (der aber größer wie bei den meisten Kompakten ist) ist völlig ausreichend für die üblichen 30x45cm Poster! Ich habe jetzt sogar ein 60x90cm Poster drucken lassen, dass war völlig O.K.! Das Zoom-Objektiv mit einer Anfangslichtstärke von 2,0 (!) ist allererste Sahne und der Zoombereich 28-112mm reicht für die meisten Fälle vollständig aus! Gerade, weil man nicht wechseln muss, ist die Sache für mich sehr interessant! Die X10 ist sehr solide gebaut und macht richtig Spaß!